14.11.2009 Demo im Wanderkessel

Die Demo zum Gedenken an den 20. Todestag von Cornelia “Conny” Wessmann wurde von einem massiven Polizeiaufgebot in engem Spalier begleitet. Und wenn schonmal so viele Polizisten auf einem Haufen sind, suchen sich einige davon auch gerne mal ne Tüte Streit. Am Alten Rathaus hat die Polizei die Demo zunächst nicht losgehen lassen und darauf hingewiesen, das sie bereit ist die Demo durchführen zu lassen, obwohl keine Anmeldung vorliegt, sie jedoch darauf bestehe, dass teilweise vorhandene Vermummung abgelegt wird. Erst wenn keine Vermummungen mehr vorlägen, würde man die Demo starten lassen.

Während nun alle darauf warten, dass es losgeht,  wird ein Teilnehmer am Rand des Zuges von Polizisten bedrängt. Einer der Polizisten gibt als Grund an “Sie haben mich beleidigt”. Auf meine Nachfrage was denn der Anlass war, hat mir der belästigte Herr später geantwortet der Polizist habe gesagt er hätte Jura studiert, woraufhin Umstehende und auch er (der Belästigte, nicht der Polizist) gelacht haben. Das hat dann der Polizist als Beleidigung aufgefasst, für die sich eine Identitätsfeststellung mit Rumschubsen lohnt. Praktischerweise filmt mittlerweile nicht nur die Polizei: Es wird zurücküberwacht! Deshalb gab es genug Zeugen und Kameras, die das Geschehen beobachten und sich vom rechtsstaatlich korrekten, angemessenen Handeln unserer Polizei überzeugen konnten (Video).

Als die Conny-Demo am Idunazentrum, an der Stelle, an der vor 20 Jahren Conny bei einer Polizeiaktion starb angekommen und nach wie vor von einem starken Polizeiaufgebot umgeben ist, wird ein Demonstrant von einem Greiftrupp vom Demozug weg, durch einen schmalen Grünstreifen gezerrt und Festgenommen. Mehrere Zeugen folgen dem Greiftrupp und beobachten die Festnahme. Dabei geht die Polizei ohne ersichtlichen Grund auch gegen die Beobachter vor. Ebenso wird gegen einen anwesenden Landtagsabgeordneten, der sich scheinbar mittels seines Abgeordnetenausweises zu identifizieren und zu schlichten  versucht vorgegangen. Welche Gefahr von dem ca. 16-jährigen festgenommenen Jungen ausgeht, die ein solch brachiales Vorgehen rechtfertigt, erschließt sich dem Beobachter nicht (Video).

Und wenn man schonmal da ist, kann man auch gleich noch dem Gedenkzug den Zugang zum Conny-Denkmal blockieren (Video).

Nach Abschluss der Demo hat die Polizei dann am JuZi eine Kette über die Bürgerstrasse gebildet und versucht, nachdem sich der Autonome Teil der Demo ins JuZi begeben hat, abziehende Teilnehmer daran zu hindern den Ort in Richtung Osten zu verlassen. Einer der so Belästigten gibt sich nicht damit zufrieden und erfährt auf hartnäckiges Nachfragen er könnte ja Waffen oder Steine dabei haben. Da mittlerweile mehrere Zeugen das Geschehen beobachten und filmen wird er nach einer oberflächlichen Durchsuchung gehen gelassen. Interessantes Detail am Rande: Bei dem belästigten handelt es sich um einen in Göttingen bekannten Pazifisten. “Haben sie eine Waffe?”, “Na selbstverständlich nicht. Ich hab noch nie ne Waffe gehabt. Sie haben mehrere Waffen” (Video).

Die Demo nicht wenigstens ab dem Weender Tor aus dem Spalier heraus alleine zur Unglücksstelle gehen zu lassen, sondern sich dort sogar noch als Kette zwischen den Demozug und das Denkmal zu stellen ist schon eine riesige Provokation, dort auch noch einen Jugendlichen aus dem Demozug zu greifen und festzunehmen setzt noch einen drauf. Wie das zu der von der Einsaztleitung behaupteten Deeskalation passt, ist mir ein Rätsel. Wieder einmal hat ein massives Polizeiaufgebot Göttingen in so etwas wie besetztes Gebiet verwandelt, in dem sich einige Polizisten tatsächlich wie eine feindliche Besatzungstruppe aufführen. Für ungewollte Heiterkeit sorgte jedoch einer der Polizisten am Ende der Demo: Als die Autonomen die Demo für beendet erklären und ins JuZi gehen, war ein “Äh…, gehen wir da jetzt mit?” von einem der Spalierpolizisten zu hören.