Verfassungsschutz vs. Freie Presse

Der niedersächsische Verfassungsschutz beobachtet den Göttinger Journalisten Kai Budler weil er bei seiner Berufsausübung auch über linke Demos berichtet. In diesem Artikel auf publikative .org steht u. a., dass Budler, Journalist beim Stadtradio Göttingen vom niedersächsischen Verfassungsschutz als Linksextremist in den Akten geführt wird, weil er linke Demos berichterstattend begleitet hat. Im Gegensatz zu anderen Journalisten, die ebenfalls über die Demos berichtet haben, aber von der Göttinger Polizei nicht als Linksextrem nach oben verpetzt wurden, ist einer von Budlers Arbeitsschwerpunkten das Thema Rechtsextremismus. Die Göttinger Polizei arbeitet sowieso viel lieber mit aller Kraft und am Rande der Rechtsstaatlichkeit (und manchmal einfach glatt rechtswidrig auch über den Rand hinaus) gegen Links als gegen Rechts und da wird die Tatsache, dass Budler beim Göttinger Lokalsender StadtRadio arbeitet eine wichtige Erkenntnis. Bürgerradios umweht ja sowieso dieser Hauch linker Unbotmäßigkeit, die man verfassungswidrig mit zwei Hundertschaften in Schach halten muß.

Interessant ist dabei die ohnehin fragwürdige und von einigen für rechtswidrig gehaltene, enge Verbindung der Göttinger Polizei zum niedersächsischen Verfassungsschutz. Beide Einrichtungen haben 2010 mal eben Personal aus Ihrer jeweiligen Leitungsebene durchgetauscht: Hans Wargel, ehemals Präsident der Polizeidirektion Göttingen wurde Präsident des niedersächsischen Verfassungsschutzes, während Robert Kruse, bis dahin Verfassungsschutzvizepräsident ihm als Polizeipräsident in Göttingen nachfolgte. Natürlich bestreiten die Beteiligten, dass dieser Personaltausch die verfassungsmäßig gebotene Trennung von Geheimdienst und Polizei verletzt. Der Zusammenarbeit und dem freien Informationsfluß ist es auf jeden Fall dienlich.

Herausgekommen ist Budlers “Eintrag in der schwarzen Liste” durch eine andere Polizeiaktion, die vermutlich nicht auf dem Boden der Verfassung steht und elementare Bürgerrecht verletzt hat: Die massenhafte Erfassung von Mobilfunkverbindungsdaten im Februar 2011 bei den Protesten gegen den Naziaufmarsch in Dresden. Budler hatte deshalb offenbar ein Auskunftsersuchen zu den über ihn erhobenen Daten gestellt und dabei von den “polizeilichen Erkenntnissen” erfahren.

Wir halten also fest: Die sogenannte vierte Macht im Staate, die freie Presse, der eine erhebliche demokratiesichernde Kontrollfunktion zukommt, wird allein durch die Ausübung Ihres Auftrags zum Objekt geheimdienstlicher Beobachtung und Ausforschung. Dabei werden Erkenntnisse gerne unter Verletzung von Bürgerrechten gewonnen und jede noch so kleine Meldung (“arbeitet bei einem Lokalsender”) wird zur “polizeilichen Erkenntniss” hochgepush, denn das sichert ja Etats und Planstellen. Je mehr Extremisten, desto größer die Bedrohung, für deren Abwehr man mehr Polizisten braucht. Und soweit Gesetze dabei hinderlich sind werden diese gerne ignoriert. Und falls man Erwischt wird, ist Reue die ganz falsche Taktik: Da wird nach vorn verteidigt und einfach ganz unverfroren gefordert, endlich zu legalisieren was man sowieso schon macht.

Hinterher  weiß man es natürlich immer besser, aber wird uns eigentlich mal die nächste Generation fragen, ob wir nicht gemerkt haben wo die Reise hinführt, warum wir so blind waren und ob wir nicht mehr dagegen hätten tun müssen?